Zukunft der Solartechnik #2: Tandem-Solarzellen

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Wirkungsgrad bei Tandem-Solarzellen jetzt über 30 Prozent

Noch vor kurzem galten Perowskit-Silizium-Solarzellen als völlig uninteressant für die Serienproduktion. Zu gering sei der Wirkungsgrad, so die kritischen Stimmen. Doch im Sommer 2023 ist es europäischen und asiatischen Forscherteams gelungen, Solarzellen mit einem Wirkungsgrad von über 30 Prozent zu entwickeln. Wir erörtern, was das für die Zukunft von Photovoltaikanlagen auf Hausdächern und an Fassaden bedeuten könnte.

Die Entwicklung in der Solarbranche geht ständig voran © luchschenF, stock.adobe.com
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Wirkungsgrad ist nicht gleich Wirkungsgrad

Die überaus erfreuliche Nachricht belegen mehrere Forschungsberichte und zwei im Juli veröffentlichte Studien: In einer davon gibt das Berliner Helmholtz-Zentrum an, Tandemzellen mit zertifizierten Stromumwandlungswirkungsgraden von bis zu 32,5 % erhalten zu haben. Ein Team an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (ETHL, französisch EPFL) wendete eine andere Technik an und erzielte bei Tandemzellen 31,25 % Wirkungsgrad.

Diagramm: Verschiedene Zelltechniken und Ihre Wirkungsgrade
Diagramm: Verschiedene Zelltechniken und Ihre Wirkungsgrade

Hier sind die Zahlen:

Zelltechnik

Max. Wirkungsgrad

Tandem-Solarzelle (Si-Perowskit)

32 %

Monokristalline Solarzelle

27 %

Polykristalline Solarzelle

20 %

CIGS-Solarzellen

17 %

CdTe-Dünnschichtzellen

16 %

a-Si-Dünnschichtzellen

12 %

Wiedergegeben sind nicht die Modulwirkungsgrade, sondern die der Solarzellen. Letztere finden Sie in unserem Beitrag Photovoltaikmodule im Vergleich.

Das ist sensationell, denn das herkömmliche Basismaterial Silizium ermöglicht nach den Gesetzen der Physik maximal 29 Prozent. Im Unterschied dazu hält die Fraunhofer Gesellschaft für Tandemsolarzellen Wirkungsgrade über 35 Prozent für möglich. Was aber nicht heißt, dass die kristallinen Solarzellen damit auf einen Schlag überholt werden.

Für den Hinterkopf: Der Wirkungsgrad von Solarzellen ist der Gradmesser für die Effizienz einer Photovoltaikanlage. Wie viel der einstrahlenden Sonnenenergie in elektrische Energie umgewandelt werden kann, wird in Prozent angegeben. Monokristalline Siliziumzellen erreichen einen Zellwirkungsgrad von bis zu 27 Prozent und einen Modulwirkungsgrad von 20 bis 23 Prozent. Die realen Werte sind immer niedriger als die im Labor erzielten, wo ideale Bedingungen herrschen. Welche Effizienz die Tandem-Solarzellen auf Modulebene hätten, geben die Studien nicht an.

Alle Komponenten einer PV-Anlage wirken sich auf die Performance aus
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Hinweis: Dass der Gesamt-Wirkungsgrad einer rein siliziumbasierten Photovoltaikanlage (polykristallin und monokristallin) nur etwa 13 bis 20 Prozent beträgt, liegt an unvermeidbaren Systemverlusten. Etwa 3 Prozent gehen durch die Umwandlung vom Gleichstrom zu Wechselstrom (Wechselrichter-Wirkungsgrad) und den Transport über die Solarkabel (Leitungsverluste) verloren.
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Was ist Perowskit?

Perowskit oder Perovskit, chemisch CaTiO3, ist ein kristallines, häufig vorkommendes Mineral – in Deutschland zum Beispiel in der Eifel und im Kaiserstuhl. Das macht die Förderung unkompliziert und verursacht geringe Kosten. Eingesetzt wird Perowskit seit langem, unter anderem bei der Produktion von Leuchtdioden (LEDs). Mit Perowskit als Bestandteil von Solarzellen wird seit über 10 Jahren geforscht. Erste Erfolge vermeldete der Schweizer Michael Grätzel, als er 2013 Wirkungsgrade von 15 Prozent erreichte.

Bei der Herstellung von Photovoltaik-Modulen sind monokristalline Siliziumzellen der Standard. Zellen aus diesem als Mineral anerkannten Halbmetall weisen den besten Wirkungsgrad im Verhältnis zu den Produktionskosten auf. Bei suboptimalen Bedingungen ist Perowskit dem Silicium jedoch überlegen. In sogenannten Tandem-Solarzellen werden beide Minerale zusammengebracht.

Wie funktionieren Tandem-Solarzellen?

Die Tandem-Solarzellen nutzt das Licht wirksamer
Die Tandem-Solarzellen nutzt das Licht wirksamer

Wie auf einem Tandem arbeiten zwei zusammen. Nur sind es hier keine Radfahrer, sondern Materialien, meistens Silizium und Perowskit. Tandem-Solarzellen bestehen aus zwei übereinander gelagerten Schichten. Dadurch punkten sie mit einem Doppelnutzen:

  • Die obere Schicht aus Perowskit absorbiert den Grün- und Blauanteil im Sonnenlicht und nutzt damit vor allem das kurzwellige Licht zur Stromerzeugung. Die anderen Anteile lässt die halbtransparente „Topzelle“ passieren („transmittieren“)
  • Die darunter liegende Schicht aus Silizium („Bottomzelle“) kann dann wie gewohnt den Rotanteil und Infrarotanteil absorbieren und in elektrische Energie umwandeln.

Vorteile und Nachteile von Perowskit-Silizium-Solarzellen

Auch hier hat sich in der Forschung der letzten Jahre einiges getan. Genauer gesagt, die Faktenlage hat sich zugunsten der Vorteile verschoben.

  • Die Lebensdauer konnte erhöht werden. Die Haltbarkeit von Perowskit-Zellen wird häufig noch auf der Nachteile-Seite geführt. Tatsächlich sind die Zellen recht anfällig, was die Abnutzung und den Feuchteeinfluss betrifft. 2022 vermeldete die Universität Princeton jedoch Erfolge beim Einsatz einer ultradünnen („2-dimensionalen“) Schutzschicht. Diese Cs2PbI2Cl2-Deckschicht werde zwischen die abnutzungsanfällige Perowskitschicht und die ladungstragende Schicht gelegt. Das Ergebnis: Bei einer Temperatur von 35 °C können die Solarzellen mehr als 5 Jahre Strom erzeugen. Unter realen Bedingungen entspricht dies einer Lebensdauer von ca. 30 Jahren. „Beschleunigte Alterungstests“ hätten dieses Ergebnis bestätigt, so die Forscher.
Beschleunigtes Altern: Damit niemand 30 Jahre auf ein Ergebnis warten muss, wird das Aging im Labor künstlich simuliert. Ein dafür entwickeltes Gerät beleuchtet und erwärmt die Zelle. Um die Außentemperaturen möglichst naturgetreu nachzubilden, verändert sich die Intensität in zuvor festgelegten Intervallen. So erhält man den durchschnittlichen Alterungsprozess einer Perowskit-Zelle in deutlich kürzerer Zeit.
  • Die Herstellung kann bei Raumtemperatur stattfinden. Im Unterschied dazu ist die Fertigung der Siliziumwafer sehr energieintensiv (ca. 2.700 °C). Niedrige Temperaturen machen die Produktion von Perowskit-Zellen billiger und nachhaltiger.
  • Es wird Material eingespart. Beide Rohstoffe sind nicht knapp und daher auch nicht teuer. Vielleicht noch nicht, denn steigt die Nachfrage weiter, wird für die Module mehr und mehr Material benötigt. Tandem-Solarzellen sind deutlich dünner als solche auf reiner Siliziumbasis. Dies senkt die Kosten – sowohl bei der Herstellung als später auch beim Transport und der Montage der Paneele.
  • Perowskit-Zellen können flexibel und transparent gefertigt werden. Man denke da nur an die Möglichkeiten, die sich bei der gebäudeintegrierten Photovoltaik bieten. Dünnschichtzellen in allen Farben, für jede Fassade oder lichtdurchlässig. Die optischen Möglichkeiten scheinen unendlich. Bei Tandem-Zellen setzt die starre Siliciumschicht allerdings Grenzen.
  • Die Zellen arbeiten auch bei suboptimalen Lichtverhältnissen. Ob bedeckter Himmel, aufsteigender Nebel oder gar leichter Regen: Bei diesen Bedingungen müssen Silizium-Zellen passen. Perowskit dagegen kann auch das kurzwellige Licht zur Stromproduktion nutzen.

Bleibt bei so viel Lob überhaupt noch ein Nachteil? Leider ja:

  • Die Produktionskosten sind noch unrentabel. Stichwort Skaleneffekt: Die Preise können erst sinken, wenn die entsprechende Nachfrage da ist. Im derzeit noch siliziumbasierten Markt rechnet die Fachwelt mit einer sehr langen Einführungsphase für die universellen Perowskit-Folien. Der Siegeszug der Tandem-Solarzelle wird dagegen früher erwartet. Vor allem, wenn es gelingt, die guten Labor-Ergebnisse bei den Wirkungsgraden auf seriell gefertigte PV-Module zu übertragen.
  • Perowskit-Absorber enthalten Blei. Wird ein Modul beispielsweise durch heftigen Hagelschlag beschädigt, kann der giftige Stoff von Regen ausgewaschen werden und in den Boden sickern. Zwar gibt es Bemühungen, umweltfreundlichere Solarzellen aus Perowskit herzustellen, diese arbeiten mit heutigem Forschungsstand aber noch sehr instabil.
  • Neue Modulgrößen erfordern neue Montagesysteme. Dieser Nachteil ist sicher nicht der wichtigste, aber dünnere Solarpaneele müssten anders befestigt werden. Neues Montagematerial wäre zu entwickeln und zu produzieren. Neue Standards wären einzurichten, an denen sich die Installateure orientieren könnten (und müssten).

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Nachhaltigkeit im Fokus

Bei der Herstellung von Perowskit-So­larzellen werde nur ein Achtel des CO2 ausgestoßen, das man mit der allerneusten Siliziumtechnologie benötige, so Dr. Lukas Wagner vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Im 2019 bis 2023 laufenden Leitprojekt „MaNiTU“ widmen sich sechs Fraunhofer-Institute gemeinsam der Entwicklung nachhaltiger, höchsteffizienter und kostengünstiger Tandemsolarzellen auf Basis neuer Absorbermaterialien. Im Klartext: Giftige Materialien wie Blei und solche, die nicht ausreichend zur Verfügung stehen, sollen künftig konsequent vermieden werden.

Fazit

Tandem-Solarzellen stehen im Fokus der aktuellen Solarzellenforschung. Die ultradünnen, druckbaren und günstig herzustellenden Perowskitzellen können auf eine Glasplatte oder eine Folienrolle aufgebracht werden. Perfekt sind sie im Verbund mit einer Siliziumschicht: Diese ist für den roten Spektralbereich optimal, die Perowskitschicht für den blauen. Tandem-Solarzellen sammeln also nicht einfach das Licht aller Farben ein, sondern verteilen es an die jeweiligen Spezialisten. Das steigert ihre Effizienz und damit den Wirkungsgrad des Moduls. Wenn erst einmal nachhaltigere Materialien gefunden sind, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Tandems durchsetzen.


Quellen:
Studie des Helmholtz-Zentrums, Berlin: https://www.science.org/doi/10.1126/science.adf5872
Studie der ETHL, Lausanne https://www.science.org/doi/10.1126/science.adg0091
Studie der Princeton University zur Schutzschicht: https://engineering.princeton.edu/news/2022/06/13/loo-30-year-perovskite-solar-cell
Fraunhofer zu Perowskiten: https://www.fraunhofer.de/de/forschung/aktuelles-aus-der-forschung/wir-haben-die-energie/photovoltaik.html
Fraunhofer-Leitprojekt »MaNiTU«: https://manitu.fraunhofer.de/

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