Windkraftanlagen: Ein kleines Lexikon
Die Riesen aus Stahl mit ihren schlanken Blättern sind inzwischen an vielen Orten Teil der Landschaft. Aber warum müssen Windkraftanlagen so hoch sein? Und schalten sie sich aus, wenn der Wind zu stark weht? In unserem Lexikon finden Sie Antworten.
Auftrieb
Die erste Windmühle aus der Antike, die persische Windmühle mit Schaufeln, ist ein sogenannter Widerstandsläufer. Das bedeutet, dass die Schaufeln senkrecht zur Windrichtung stehen und von ihm geschoben werden.
Modernere Windmühlen und auch Windturbinen nutzen aber stattdessen genauso wie Flugzeuge ein anderes Prinzip. Indem die Flügel angeströmt werden, entsteht aufgrund der besonderen Flügelprofile eine zur Strömung senkrechte Auftriebskraft.
Damit lassen sich wesentlich höhere Drehzahlen realisieren und aus dem Wind mehr Energie entnehmen. Die ganze Energie des Windes zu nutzen ist allerdings nicht möglich, denn das würde bedeuten, die Luftmasse komplett zu bremsen. Das Betzsche Gesetz besagt aber, dass maximal 59 Prozent Windleistung nutzbar ist. In der Praxis wird dieser Wert nicht mal erreicht. Technisch optimierte Anlagen kommen aber auf zirka 50 Prozent.
Bauform
Heute dominieren drehzahlvariable Windturbinen mit einer horizontalen Achse und einem dreiblättrigen Rotor den Markt. Es gibt allerdings auch andere Bauformen. Savonius-Rotoren haben zum Beispiel zwei schaufelförmige Blätter, die sich um eine vertikale Achse drehen und sich überlappen. Darrieus-Rotoren sind auch Vertikalachser, die bogenförmigen Flügel sind aber am oberen und am unteren Ende der Achse befestigt.
Auch gibt es Zwei- und Einflügler mit horizontaler Achse. Bei allen Varianten handelt es sich allerdings um Nischenprodukte, die vor allem als Kleinwindkraftanlagen angeboten werden. Bei Turbinen im Megawattbereich stellen die horizontale Achse, die drei Flügel und die Anströmung von vorne den Standard dar, da sie bezüglich des Schallschutzes, des Ertrags und des dynamischen Verhaltens die besten Werte erreichen.
Dreiblattrotor
Die meisten kommerziellen Windkraftanlagen haben drei Rotorblätter. Festgeschrieben ist das nicht, und in der Tat gibt es Hersteller, die Windturbinen mit einem oder zwei Flügeln bauen. Generell hat sich aber der Dreiblattrotor durchgesetzt, weil diese Variante für den höchsten Ertrag und für die geringste Belastungen aller Komponenten sorgt. So ergeben sich bei einem Zweiblattrotor beispielsweise hohe Belastungen für den Turm, wenn die Rotorblätter senkrecht stehen. Auch Windräder mit mehr als drei Rotorblättern wären theoretisch möglich. Eine solche Bauweise wurde jedoch mehr Material, höhere Kosten und höhere Lasten bedeuten. Die Tatsache, dass die Rotorblätter sich im Uhrzeigersinn drehen, ist lediglich eine Konvention.
Energieertrag
Entscheidend für die Standortauswahl ist die Einschätzung der Windverhältnisse am Standort, da 10 Prozent weniger Windgeschwindigkeit 30 Prozent weniger Leistung bedeutet. Neben den Windbedingungen spielt für den Energieertrag die Struktur des Geländes eine Rolle. So entscheiden sogenannte Bodenrauigkeiten (Berge, Hügel, Gebäude, Bäume) über die Windgeschwindigkeit, da sie den Wind bremsen.
Weitere Faktoren, die den voraussichtlichen Energieertrag beeinflussen, sind die zur Verfügung stehende Fläche und der Netzzugang. Während der Planung ermitteln Fachkräfte die Leistung mithilfe der Leistungskennlinie der Anlagen und der statistischen Verteilung der Windgeschwindigkeit am Standort. Diese wird berechnet, indem man die Windgeschwindigkeiten am Standort meist im 10-Minuten-Mittel während eines längeren Zeitraums misst, in Windgeschwindigkeitsklassen sortiert und summiert, um die Häufigkeit jeder Klasse in dem Messzeitraum zu berechnen.
Aufgrund der unterschiedlichen Windbedingungen an verschiedenen Standorten ist es somit schwierig, Pauschalwerte für den jährlichen Energieertrag einer Windturbine anzugeben.
Fundament
Kommerzielle Windturbinen haben meist Blockfundamente aus Beton und Stahl, die ein Kippen und ein Einsinken der Anlage verhindern, indem sie die Lasten aufnehmen. Am verbreitetsten sind bei Onshore-Anlagen Schwerkraftfundamente, die die Turbine am Boden verankern und bis zu 400 Tonnen wiegen. Von zentraler Bedeutung vor dem Bau eines solchen Fundaments ist ein Bodengutachten, damit die Tragfähigkeit des Untergrunds nicht überschritten wird.
Bei Offshore-Anlagen gibt es unterschiedliche Konzepte, darunter sogenannte Monopiles (Stahlpfeiler), Saugfundamente und mit Seilen verankerte, „schwimmende“ Windräder.
Generator
Als Herzstück einer Windkraftanlage wandelt der Generator die rotatorische Bewegung der Rotorblätter in Elektrizität um. Während die Netzfrequenz (in Europa 50 Hz) konstant bleibt, sorgen Komponenten wie Umrichter, Gleichrichter und Wechselrichter dafür, dass moderne Generatoren mit variablen Drehzahlen arbeiten können. Darüber hinaus sind bei den meisten Windturbinen Getriebe notwendig, die die relativ niedrige Rotordrehzahl in die für den Betrieb eines Generators erforderlichen hohen Drehzahlen übersetzen.
Höhe
Allein wegen der Blattlänge, die bis zu 100 Metern beträgt, muss der Turm von kommerziellen Windkraftanlagen eine bestimmte Höhe aufweisen. Darüber hinaus wachsen die Windgeschwindigkeit und damit der Energieertrag mit zunehmender Höhe. Aus diesem Grund sind Windräder heutzutage im Schnitt 100 bis 200 Meter hoch.
Die riesigen Rotorblätter und die Turmmasse stellen sich bei der Planung, beim Transport und bei der Montage als Herausforderung heraus. Trotzdem sind Windturbinen in den letzten Jahrzehnten immer höher und schwer geworden. Beispielsweise galt um die Jahrtausendwende eine Anlage mit 100 Meter Höhe als hoch. Derzeit befindet sich die höchste Windturbine der Welt in Dänemark und misst 280 Meter. Wenn man von der Höhe einer Windkraftanlage spricht, ist damit die Höhe der Blattspitze gemeint, wenn das Blatt senkrecht nach oben steht.
Inselbetrieb
Windkraftanlagen in Windparks haben eine Netzanbindung. Das bedeutet, dass der erzeugte Strom ins öffentliche Stromnetz fließt. Dafür ist eine umfangreiche Regelung notwendig, die die Spannung auf die für die jeweilige Spannungsebene notwendige Spannung anhebt (meist Höchstspannungsebene – 380 kV) und die elektrische Leistung bei kritischen Zuständen begrenzt oder abschaltet.
Ein Inselbetrieb ohne Netzanbindung ist aber ebenfalls möglich. Ein solcher Betrieb eignet sich vor allem für kleine Windräder (Leistung unter 1 Megawatt), bei denen eine Netzeinspeisung sich nicht lohnt. Erzeugt die Windturbine Strom, wird dieser direkt verbraucht oder in Batterien gespeichert. Projekte dieser Art gibt es auch in entlegenen Regionen ohne Stromanbindung.
Kohlefasern
Die meisten Rotorblätter bestehen aus einer Matrix aus glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK) mit Verstärkungen aus Holz im Inneren in Sandwichbauweise. Im Vakuum-Verfahren werden die Ober- und die Unterseite separat angefertigt und später zusammengeklebt. Dafür bauen die Hersteller Formen, die sie mit Glasfasern verkleiden.
Diese werden mit Epoxidharz durchtränkt und härten zu einer festen Struktur aus. Eine der größten Herausforderungen besteht bei Rotorblättern darin, die Festigkeit zu maximieren und gleichzeitig das Gewicht zu minimieren. Aus diesem Grund kommen bei manchen Anlagen Kohlefasern (CFK) zum Einsatz, die im Vergleich zu Glasfasern bei gleichem Gewicht eine höhere Steifigkeit und Zugefestigkeit aufweisen. Damit erhöhen sich allerdings auch die Kosten, da Kohlefasern teurer sind.
Leistungskurve
Genauso wie jede Maschinenanlage hat auch jede Windkraftanlage eine eigene Leistungskurve. Diese drückt aus, welche Leistung bei welche Windgeschwindigkeit erreicht wird. Um eine solche Kurve zu berechnen, misst man über einen längeren Zeitraum mit einem Anemometer die Windgeschwindigkeit am Standort und die dazugehörige elektrische Leistung.
Die Windgeschwindigkeit, bei der die Anlage die Nennleistung erreicht, nennt man Nennwindgeschwindigkeit. Die typische Nennwindgeschwindigkeit für eine Windturbine mit einer Leistung zwischen 1 und 10 Megawatt beträgt 11 bis 15 Meter pro Sekunde.
Mühle
Die Idee, die Energie des Windes zu nutzen, ist keineswegs neu. Bereits 1.700 v.Chr. sollen Völker im Orient Mühlen aus geflochtenen Matten und Holz gebaut haben. Auch in Europa wurden schon im Mittelalter Windmühlen verwendet, um Getreide zu mahlen. In großen Stückzahlen errichtet wurde ab dem 17. Jahrhundert beispielsweise die Holländermühle mit ihrem achteckigen Turm und der drehbaren Dachhaube. Die Mühlen dienten nicht nur als Kornmühlen, sondern auch als Wasserschöpfmühlen zur Entwässerung von eingedeichten Grundstücken.
Schon im späten 19. Jahrhundert gab es Versuche, mit Windmühlen Strom zu erzeugen. Erst die Fortschritte in der Elektronik und die Verfügbarkeit neuer Materialien machten es jedoch möglich, ab den 60 Jahren des 20. Jahrhunderts tragfähige Konzepte zu entwickeln.
Nabe
In der Nabe befindet sich das Herz einer Windturbine. Unter anderem steht dort das Getriebe (wenn vorhanden), der Generator, die Sensoren, die mechanische Bremse und die Hydraulik. Am Nabenflansch werden die Rotorblätter mittels Quer- oder Stehbolzen angeschlossen.
Offshore
Auf offener See gibt es keine Hindernisse, die den Wind bremsen. Zudem sind Schallemissionen weniger problematisch. Aus diesem Grund kam früh die Überlegung, Windparks offshore, also im Meer, statt an Land zu errichten. Allerdings stellen das salzige Meerwasser sowie die feuchte Umgebung, Wellen und Strömungen besondere Anforderungen an die Materialien. Auch die Wartung ist schwieriger, sodass einem höheren Ertrag auch höhere Kosten gegenüberstehen.
Ende 2022 drehten sich in Deutschland 1.539 Offshore-Windenergieanlagen mit einer Leistung von insgesamt 8,1 GW. Im Vergleich dazu gab es 28.443 Onshore-Windturbinen. Zu den Ländern mit den meisten Offshore-Windparks zählen China und das Vereinigte Königsreich.
Regelung
Ziel des Betreibers einer Windkraftanlage ist, stets die maximale Energie aus dem Wind herauszuholen. Da die Windgeschwindigkeit schwankt und die optimale Leistung von dem Verhältnis zwischen der Umfangs- und der Windgeschwindigkeit abhängt, steigt mit letzter auch die Rotordrehzahl. Gleichzeitig muss es möglich sein, bei zu starkem Wind die Anlage zu schützen. Dafür sorgen sogenannte Pitch-Motoren, die die Blätter in die Strömung drehen und so den Anstellwinkel verändern. Damit reduzieren sie die Kräfte, die auf das Blatt wirken.
Die Pitch-Regelung setzte sich erst ab der Jahrtausendwende durch, als die Anlagen immer größer wurden. Die ersten Windturbinen in den Achtzigern und Neunzigern waren Stall-geregelt. Dies bedeutet, dass sie sich bei hohen Windgeschwindigkeiten mittels eines Strömungsabrisses abschalteten, wenn der Anstellwinkel an den Rotorblättern zu groß wurde.
Schall
Die Schallproblematik gehört zu den Hauptgründen für die Ablehnung von Windkraftanlagen seitens der Öffentlichkeit und für die gesetzlich vorgeschriebenen Abstände von menschlichen Siedlungen. Die Blattspitze eines Rotorblatts erreicht im Betrieb Geschwindigkeiten von 80 bis 90 Metern pro Sekunde, was zu Spitzen von bis zu 60 Dezibel sowohl im Infraschall- als auch im hörbaren Bereich führt.
Zwar kommen viele Studien zu dem Schluss, dass die Schallemissionen von Windkraftanlagen die Gesundheit von Menschen und Tieren nicht gefährden. Dennoch gibt es Menschen, die in der Nähe von Windparks leben und über Belastungen klagen, deren Ursache bis jetzt nicht vollständig geklärt werden konnte.
Turm
Türme für Windturbinen können als konische Stahlrohrtürme, Gittertürme oder Betontürme gebaut werden. Bei den meisten Anlagen besteht der konische Stahlrohrturm aus mehreren Teilen mit einer Länge von 20 bis 30 Metern, die am Standort zusammengeschraubt werden. Die konische Form wird gewählt, da die Lasten so besser verteilt werden. Auf der anderen Seite lässt sich so Material sparen und die Kosten senken.
Vertikale Windkraftanlagen
Die meisten Windkraftanlagen auf dem Markt haben eine horizontale Achse. Das bedeutet, dass die Rotorblätter sich um eine Achse drehen, die parallel zum Boden verläuft. Es gibt allerdings auch Windturbinen mit vertikaler Achse, beispielsweise mit H-förmigen, elliptischen oder bogenförmigen Blättern (Darrieus-Rotor) oder als Widerstandläufer (Savonius-Rotor), der statt des Auftriebs den Widerstand als Antrieb nutzen.
Zu den Vorteilen vertikaler Windturbinen zählen der leise Betrieb und die Tatsache, dass sie sich nicht in den Wind drehen müssen und daher keine Windnachführung benötigen. Der Ertrag lässt sich aber nicht annähernd mit dem von horizontalen Windkraftanlagen vergleichen, weswegen es solche Turbinen höchstens als Prototype oder als Nischenprodukt im Bereich Kleinwindkraftanlagen gibt.
Windgeschwindigkeit
Unter einer bestimmten Windgeschwindigkeit produzieren Windturbinen keinen Strom. Je nach Anlage liegt diese Windgeschwindigkeit für Windturbinen im Megawattbereich bei 3 bis 4 Meter pro Sekunde (10,8 bis 14,4 Kilometer pro Stunde). Auf der anderen Seite ist es notwendig, ab einer bestimmten Windgeschwindigkeit die Anlage abzuschalten, um Schäden zu vermeiden. Diese Abschaltgeschwindigkeit beträgt meist 25 Meter pro Sekunde (90 Kilometer pro Stunde).
Zertifizierung
Kleinwindkraftanlagen mit einer Gesamthöhe unter 10 Metern sind genehmigungsfrei. Kommerzielle Turbinen gelten dagegen als Bauwerke, die eine Genehmigung benötigen. Zuständig sind beispielsweise das Deutsche Institut für Bautechnik oder der TÜV.
Die Geschichte der Windkraft und ihrer Nutzung
Geht man bei stürmischem Wetter spazieren, wird man praktisch mit der Nase darauf gestoßen, welche Naturkräfte da am Werk sind.… weiterlesen