Geht man bei stürmischem Wetter spazieren, wird man praktisch mit der Nase darauf gestoßen, welche Naturkräfte da am Werk sind. Die Idee, diese Energie nutzbar zu machen, liegt nahe. Allein in Deutschland verrichten mittlerweile knapp 30.000 Windkraftanlagen ihren Dienst, hinzu kommen mehr als 1.500 Offshore-Anlagen zu Wasser. Auch wenn diese Entwicklung erst in den vergangenen 50 Jahren so richtig an Fahrt aufnahm, ist die Geschichte der Windenergie und ihrer Nutzung doch sehr viel älter. Folgen Sie uns auf einer kleinen Zeitreise durch die Jahrhunderte.
Wir beginnen in der Seefahrt. Denn die Erfindung von Segelschiffen durch die Ägypter vor etwa 5000 Jahren wäre ohne den Wind, der sie antreibt, gar nicht möglich gewesen. An Land wurde er erst später systematisch genutzt. Vermutlich als Weiterentwicklung von Wassermühlen entstanden, dienten einfache Windräder in Persien und China schon vor Christi Geburt zum Mahlen von Getreide und Pumpen von Wasser. Ihr Grundprinzip bestand darin, die Windenergie in mechanische Energie umzuwandeln.
Europa war Nachzügler
In Europa dauerte es wesentlich länger, bis die Technologie in größerem Umfang genutzt wurde, nämlich bis ins 12. Jahrhundert. „Um 1100 wurde über die ersten festen Bockwindmühlen, die auf den Pariser Stadtmauern standen, berichtet“, schreibt Jos Beurskens in seinem Buch „Die Geschichte der Windenergie“. Ihr Name erklärt sich dadurch, dass die Mühle auf einem einzelnen Pfahl steht, der in einem Stützgestell, dem Bock, befestigt ist. Auch die Bezeichnung Windmühle bildete sich zu dieser Zeit heraus, obwohl viele Mühlen andere Zwecke hatten als das Mahlen.
In der Folgezeit wurden die Mühlen stetig weiterentwickelt und erlebten eine erste lange Blütephase. „Mitte des 19. Jahrhunderts drehten sich alleine in Europa rund 200.000 Windmühlen“, berichtet Volker Quaschning in „Erneuerbare Energien und Klimaschutz“. Mit der Erfindung von Dampfmaschinen und Motoren im 18. und 19. Jahrhundert kündigte sich aber bereits eine grundlegende Veränderung an. Je effizienter und günstiger diese wurden, desto mehr gerieten die Mühlen ins Hintertreffen.
Heute sind erhaltene Windmühlen Relikte einer vergangenen Zeit. Als Fotomotive oder Ausflugsziele locken sie zwar noch Touristen und Historiker an, vor allem, wenn sie wieder liebevoll instandgesetzt wurden. Ihre wirtschaftliche Bedeutung und ihre Pionierarbeit in Sachen Windkraft ist jedoch in Vergessenheit geraten.
Wind ersetzt Wasser und Pferde
Ähnliche Konstruktionen rückten erst wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit, als man erfolgreich versuchte, Strom aus Windkraft zu erzeugen. Generatoren wurden bis dato beispielsweise durch Pferdestärken oder Wasserturbinen angetrieben. Der schottische Elektroingenieur James Blyth leistete 1887 Pionierarbeit: Er war wohl der erste Mensch, der eine Turbine mit einem etwa zehn Meter großen Rotor nutzte, um mittels Windkraft einen Dynamo anzutreiben, der den gewonnenen Strom in Akkus einspeiste, die wiederum Lichtquellen in seinem Ferienhaus zur Erleuchtung brachten. Die Windkraftanlagen waren geboren.
Der dänische Physiker Poul La Cour ging das Ganze 1891 in größerem Maßstab an. Von der Regierung gefördert, baute er im jütländischen Askov nicht nur eine Windkraftanlage, um Strom für verschiedene Anwendungen zu erzeugen. Er führte auch wissenschaftliche Versuche in einem Windkanal durch, um die Aerodynamik zu erforschen und die Flügelformen zu optimieren. Aufgrund seiner Arbeiten und weiterer Erfindungen gilt La Cour heute als einer der wichtigsten Wegbereiter der Windenergienutzung.
Fossile Brennstoffe wurden bevorzugt
Nach dem Ersten Weltkrieg ging der Windkraft allerdings zunächst erneut die Puste aus. Fossile Brennstoffe wie Erdöl ersetzten sie vielerorts, an die Umwelt wurden seinerzeit noch wenig Gedanken verschwendet. Dass diese Ressourcen endlich sind, merkte man bereits während des Zweiten Weltkriegs, als das Pendel aufgrund ihrer Knappheit wieder zugunsten regenerativer Energiequellen umschlug. In den USA, wo naturgemäß alles ein bisschen größer ist als anderswo, baute man 1941 die erste Megawatt-Windkraftanlage. Der Rotor hatte einen Durchmesser von etwa 53 Metern. Allerdings blieb sie nur vier Jahre in Betrieb, bis einer der Riesenflügel brach.
Der deutsch-österreichische Ingenieur und Hochschullehrer Ulrich W. Hütter machte es besser. Eine von ihm im Jahr 1951 konstruierte 10-kW-Anlage mit 11 Metern Rotordurchmesser ging in Serie, sechs Jahre später schuf er auf der Schwäbischen Alb sein Meisterwerk StGW-34. Die Zahl steht für den Rotordurchmesser, die Nennleistung betrug 100 Kilowatt. Heute gilt sie als Vorläufer der modernen Windkraftanlagen. Geschichte wiederholt sich allerdings oft: Erneut sorgten günstiger gewordene Preise für fossile Energieträger dafür, dass Windkraft wirtschaftlich an Attraktivität verlor.
Seit 1973 aber erlebt die Windkraft einen diesmal nachhaltigen, weil bis heute anhaltenden Boom. Die damalige Energiekrise mit dramatisch ansteigenden Kosten für Rohöl öffnete vielen Menschen die Augen. Hinzu kam, dass das Bewusstsein für die damit einhergehenden Umweltprobleme wuchs. Nun zahlte sich aus, dass die Technologie in den vergangenen Jahrzehnten, teilweise wenig bemerkt von der breiten Öffentlichkeit, stetig weiterentwickelt wurde. Vor Irrwegen wie der Mega-Anlage in den USA schützte das indes nicht. 1983 baute man bei Brunsbüttel eine „Große Windenergieanlage“, abgekürzt „Growian“. Sie verfügte über einen Rotor mit 100 Metern Durchmesser und einer Nennleistung von drei Megawatt. Sie ereilte ein ähnliches Schicksal: Vier Jahre später wurde die reparaturanfällige Anlage wieder stillgelegt. Heute ist die Geschichte jedoch lediglich noch eine Anekdote auf dem Weg zur wirtschaftlichen Nutzung von Windenergie.
Wie funktioniert ein Windrad eigentlich? Die Bewegungsenergie von wehendem Wind trifft auf den Rotor und bringt ihn damit zum Drehen. Diese Drehbewegung wiederum treibt einen Generator an, der die mechanische in elektrische Energie umwandelt. Das Prinzip ist mit dem eines Dynamos an einem Fahrrad vergleichbar. Im Gegensatz zu alten Windmühlen arbeiten moderne Windkraftanlagen allerdings nicht mehr mit direktem Druckwind, sondern mit dem Auftriebsprinzip: Ihre Rotorblätter ähneln Flügeln eines Flugzeugs. Sie sind so geformt und ausgerichtet, dass sie durch die seitliche Auftriebskraft zum Drehen gebracht werden. Hinzu kommt, dass in den Höhen, in denen sie sich befinden, mehr Wind weht als am Boden.
Stromeinspeisungsgesetz brachte Durchbruch
Ähnlich wie bei der Photovoltaik war es das Stromeinspeisungsgesetz von 1991, das der Windkraft endgültig zum Durchbruch verhalf. Die gesellschaftliche und technische Entwicklung fand ihre Entsprechung in der Politik: Mit dem Gesetz wurden Stromnetzbetreiber verpflichtet, Betreibern von Windenergieanlagen Strom zu festgelegten Einspeisetarifen abzunehmen. Hinzu kamen Förderprogramme von Bund und Ländern, die Deutschland zu einer führenden Windkraftnation machten.
In Dänemark ging man, ebenfalls 1991, schon den nächsten Schritt: Vor der Insel Lolland baute man den ersten Offshore-Windpark der Welt. Nach heutigen Maßstäben fing man klein an – mit gerade einmal elf Windrädern. Zum Vergleich: Der derzeit größte Offshore-Windpark „Hornsea One“ vor Großbritannien versorgt mit insgesamt 174 Windrädern knapp eine Million Haushalte mit Strom.
Heute ist Deutschland nach China und den USA drittgrößter Erzeuger von Windstrom auf der Welt. Die Zahl wird noch eindrücklicher, wenn man die Flächen der Länder in Bezug dazu setzt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts kam 2022 ein Drittel des in Deutschland erzeugten und ins Netz eingespeisten Stroms aus Kohlekraftwerken. Bereits dahinter folgt Windkraft als zweitwichtigste Energiequelle: Sie deckt heute rund ein Viertel des deutschen Strombedarfs.
Übersichtliche Poster zum Download
Zusätzlich zur ausführlichen Geschichte der Windkraft haben wir die wichtigsten Meilensteine in einer Infografiken zusammengefasst. Sie können das Poster hier ansehen und herunterladen. Zum Vergrößern der Darstellung bitte auf das Poster klicken.
Solarenergie Geschichte und Entwicklung
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