Sonne als Stresstest für die Solarthermieanlage
Es klingt paradox: Bekommt eine Solarthermie-Anlage zu viel Sonne ab, droht ihr der Stillstand. Dieser unerwünschte Zustand wird thermische Stagnation genannt. Die gute Nachricht: Das Phänomen ist den Herstellern bekannt und die Anlagen sind dafür ausgelegt. Nur in extremen Fällen wird die Überhitzung im Sommer zum Problem. Wir klären die Anlagenbetreiber rund um das Thema thermische Stagnation auf: wie sie entsteht, welche Phasen sie hat, ob sie schädlich ist und welche Maßnahmen gegen eine Überhitzung solarthermischer Anlagen im Sommer helfen.
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So entsteht eine thermische Stagnation
Warum es zu einer Überhitzung der Solarthermie-Anlage kommen kann, ist leicht zu verstehen. Die größte Menge an Solarenergie steht genau dann zur Verfügung, wenn sie am wenigsten benötigt wird: an sonnenreichen Sommertagen. Im Sommer verbrauchen wir zwar etwas mehr warmes Wasser, aber das war’s auch schon. Erst wenn die Tage kürzer werden und die Temperaturen langsam sinken, schalten wir den Hauptverbraucher an: die Heizung. Jetzt zeigt sich das eigentliche Potenzial der Solarthermieanlage. Um die Heizung zu unterstützen, wird jede noch so geringe Sonnenintensität effektiv genutzt. In den Wärmespeicher gepumpt, wartet die erzeugte Solarwärme darauf, verbraucht zu werden. Fazit: Die Kollektoren sind für die Übergangszeit und die Wintermonate ausgelegt.
Da die Heizung an warmen Tagen abgeschaltet bleibt, entsteht also im Sommer ein Wärmeüberschuss. Die Kollektoren produzieren so viel Wärme, dass die voreingestellte Speichertemperatur sehr schnell erreicht ist. Kurz gesagt: Der Speicher ist oft randvoll. Damit die Anlage keinen Schaden nimmt, schaltet sie die Solarpumpe ab und stoppt damit den Fluss der erwärmten Solarflüssigkeit. Der Solarkreislauf steht still, es herrscht thermische Stagnation.
Die 5 Phasen einer thermischen Stagnation
Die thermische Stagnation – und die damit verbundene Überhitzung der Solarthermieanlage – läuft in mehreren Schritten ab:
- Bei Stillstand des Solarkreislaufs wird keine Wärme mehr aus dem Solarkollektor abgeleitet, sodass sich dieser immer weiter aufheizt. Die Solarflüssigkeit im Kollektor beginnt zu verdampfen.
- Durch das Verdampfen des Solarfluids nimmt der Druck zu. Um Schäden an der Anlage zu vermeiden, wird ein Teil der Flüssigkeit in ein Ausdehnungsgefäß abgeleitet.
- Bei weiterhin hoher Sonneneinstrahlung wird die dampfförmige Solarflüssigkeit vollständig in das Ausdehnungsgefäß gedrückt. Fachleute bezeichnen dies als Leersieden des Solarkollektors.
- An diesem Punkt ist die Überhitzung des Kollektors Die Temperaturen haben ihren Höchststand erreicht, die Solarflüssigkeit ist verdampft und der Kollektor kann keine weitere Wärme aufnehmen.
- Nimmt die Sonneneinstrahlung ab, fällt die Temperatur unter den Siedepunkt der Solarflüssigkeit. Der Druck sinkt ab und die Solarflüssigkeit kann aus dem Ausdehnungsgefäß zurückströmen. Die Kollektoren füllen sich wieder und der Solarregler schaltet die Pumpe wieder ein.
Ist die Überhitzung schädlich?
Eine thermische Stagnation kommt bei Solarthermieanlagen zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung häufiger vor als bei Anlagen, die nur auf die Warmwasserbereitung ausgelegt sind. Zurückzuführen ist dies auf die unterschiedliche Dimensionierung. Eine für die Heizungsunterstützung nötige größere Kollektorfläche bedeutet auch einen höheren Wärmeeintrag.
Tatsächlich belastet die Überhitzung im Sommer alle in einer Solaranlage verbauten Komponenten. Deshalb kalkulieren die Hersteller solche Extremsituationen ein. Aber: Bei der Planung und Anschaffung muss auf die Eigensicherheit der Anlage geachtet werden. Das bedeutet, die Sicherheit der Anlage ist selbst dann gewährleistet, wenn ein schwerwiegender Fehler im Betrieb auftritt. Dies ist wichtig, damit gefährliche Situationen gar nicht erst entstehen.
Die thermische Stagnation ist dabei noch nicht einmal ein Fehler, sondern ein einkalkulierter Zustand im Betrieb der Anlage. Im Solarkreislauf sollte sich daher beispielsweise ein ausreichend groß dimensioniertes Ausdehnungsgefäß befinden, das die Solarflüssigkeit aufnehmen kann, wenn das Volumen durch das Verdampfen der Flüssigkeit im Kollektor steigt.
Die hohen Temperaturen setzen neben den verbauten Anlagenkomponenten auch die Solarflüssigkeit einem wahren Stresstest aus. Durch den Wechsel in den gasförmigen Zustand und die anschließende Kondensation kann der Wärmeträger altern. Im schlimmsten Fall zersetzt sich das Solarfluid in seine chemischen Bestandteile. Dann kann es seine Funktion als Wärmeträger nicht mehr voll erfüllen und sogar die Rohrleitungen schädigen. Tritt dieser Fall ein, kommt man um einen Austausch der Solarflüssigkeit nicht herum.
Allerdings ist das nicht bei jeder thermischen Stagnation nötig. Durch den Stillstand des Kreislaufs verdampft ja nur die Menge an Solarfluid, die sich noch im Kollektor befindet. Der weitaus größere Teil im Ausdehnungsgefäß bleibt unangetastet. Die Solarflüssigkeit kann also auch bei wiederholter Überhitzung im Sommer durchaus eine Nutzungsdauer von über 4 Jahren erreichen.
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Praktische Maßnahmen gegen die Überhitzung
Die Eigensicherheit der Solaranlage ist das eine. Es gibt jedoch noch einige Möglichkeiten, selbst etwas gegen eine thermische Stagnation zu tun – oder sie zumindest abzuschwächen:
Temperatur des Speichers erhöhen
Ist die voreingestellte Temperatur im Speicher erreicht, stoppt der Solarregler die weitere Wärmezufuhr. So das Grundprinzip. Allerdings wird bei der Temperatureinstellung selten die gesamte Speicherkapazität ausgeschöpft. Eine Erhöhung der Speichertemperatur erhöht die Kapazität zur Aufnahme von Wärme. Doch Vorsicht: Dieses Vorgehen eignet sich vor allem bei einem Kombigerät, das die Wärme für das Trinkwasser und das Heizungswasser speichert. Wird ein reiner Warmwasserspeicher stärker aufgeheizt, ist das Wasser an den Zapfstellen im Haus ebenfalls entsprechend heiß. Hier drohen Verbrühungen.
Solarpumpe nachts laufen lassen
Um den stark aufgeheizten Speicher abzukühlen, können Betreiber die Solarpumpe nachts laufen lassen. Die fehlende Sonneneinstrahlung erlaubt den Solarkollektoren auf dem Dach dann die Abgabe von Wärme aus der Solarflüssigkeit an die Umgebung. Die Folge: Der Speicher kühlt herunter. Der Nachteil: Dem Speicher wird die Energie entzogen, die für das warme Wasser und die Heizung gedacht ist. Scheint am folgenden Tag die Sonne nicht mehr so intensiv, fehlt möglicherweise die Energie für die Warmwasserbereitung, sodass der Heizkessel einspringen muss.
Zusätzliche Wärmeverbraucher einplanen
Überschüssige Wärme lässt sich beispielsweise entziehen, indem die Heizung im Heizungskeller bei offenem Fenster betrieben wird. Energetisch sinnvoller ist es jedoch, zumindest im Sommer andere Verbraucher mit einzuplanen:
- Viele Wasch- und Geschirrspülmaschinen lassen sich mit warmem Wasser betreiben. Kostengünstiger als eine spezielle Warmwasser-Waschmaschine ist das Nachrüsten der bestehenden Maschine mit einem Waschmaschinen-Vorschaltgerät. Die Vorschaltgeräte verhindern eine Schädigung der Wäsche sowie der Schläuche und Elektronik durch Überhitzung. Voraussetzung ist allerdings ein separater Warmwasseranschluss. Für Spülmaschinen ist ein Vorschaltgerät nicht immer notwendig. Extra-Kosten: ca. 250 Euro.
- Im Sommer weniger schwitzen, wer wünscht sich das nicht? Eine Klimaanlage auf der Basis von Solarthermie ist zwar in der Anschaffung ein kleiner Luxus. Der Betrieb ist dagegen nahezu gratis, weil die solare Energieausbeute gerade dann besonders hoch ist, wenn wir nach Kühlung lechzen. Und es ist kein Geheimnis: Die Sonne hat noch nie eine Rechnung geschickt. Nicht umsonst wird die Kühlung mit Solarthermie immer beliebter.
- Eigenheimbesitzer planen auch immer häufiger einen Swimmingpool im Garten. Ohne Gegenmaßnahme kühlen sich Außenpools über Nacht aber leider um bis zu 10 °C ab. Den Inhalt auf konventionelle Art vor- und aufzuwärmen, ist nicht nur teuer, sondern auch ökologisch fragwürdig. Wie sinnvoll ist es da, zum Temperieren des Poolwassers die überschüssige Wärme der Solaranlage zu nutzen! Alles Wissenswerte über die speziellen Solarabsorber und Solarkollektoren finden Sie im Beitrag Solarenergie für den Pool.
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